"Ferien" in Swinging London 1969

Ich berichte nun über das prägnanteste Erlebnis meiner Teenie-Zeit.

  • Meine ersten "Ferien" ohne Eltern
  • vier Wochen
  • im Juli/August 1969
  • mit meinem Freund Wolli
  • in London, dem musikalischen und kulturellen Rock-Pop-Mekka der 60er Jahre.

 

Wer die 60er so intensiv ge- und erlebt hat wie ich, für den war ein zeitnaher Trip nach London ein Muss. Du wolltest das faszinierende Drumherum live miterleben, was du bisher nur im (Piraten)Radio hören und neuerdings (ab September 1965) auch im Beat-Club  im Fernsehen sehen konntest. Ausländische Pop- bzw. Beat-Musik (sowie frühzeitige Beziehungen zu Mädels) hatten in meinem Elternhaus zudem etwas Verbotenes an sich ... Doch merke:  Alles, was "verboten" ist (war), reizt(e) einen Jugendlichen umso mehr... Also, nix wie hin nach London!

 

Das Problem war nur:  Wie sag' ich's meinen generell besorgten Eltern ...?

 

Denn als ich meine Eltern in mein Vorhaben im November 1968 einweihte, war ich gerade erst mal 16 Jahre alt geworden - aus deren Sicht noch viel zu jung (für Mädels und) für eine Reise alleine ohne Aufsicht ... und dann auch noch ins Ausland ... und dazu auch noch in das Millionenmoloch London, das in den Medien permanent mit Sex, Drugs and Rock'n'Roll in Verbindung gebracht wurde. Noch problematischer war es für meinen Freund Wolli, der im Januar 1969 erst seinen 15ten Geburtstag feierte  ...

 

Die Zustimmung unserer Eltern konnten wir eigentlich nur bekommen, wenn wir dem Trip einen pädagogisch und kulturell wertvollen Anstrich geben. Eine Sprach- und Studienreise unter Aufsicht quasi ... und preiswert musste der Trip auch noch sein.

 

So kam uns die Idee, die eigentliche Fahrt mit Bahn und Fähre mit dem "Jugendfahrtendienst" abzuwickeln und unsere Übernachtungen in einer Londoner Jugendherberge zu buchen. Beide Jugendinstitutionen waren preiswert, hatten Tradition und galten bei unseren Eltern als seriös und fürsorglich. Hier mussten wir eigentlich bereits per Definition gut aufgehoben sein, hier dürfte uns daher nix "passieren" ... ;)

 

Hier ein zeitnaher Artikel, wie ein Urlaub ohne Eltern für Kinder und Jugendliche damals möglich war bzw. offiziell angeboten wurde:

 

 

http://www.zeit.de/1972/08/urlaub-ohne-eltern-kinderferien

 

Im nächsten Schritt, nachdem die ersten Bedenken und Widerstände bei unseren Eltern argumentativ weggeräumt waren, organisierten Wolli und ich ein gemeinsames Treffen mit unseren Eltern. Denn man wollte ja wissen, aus welchem (ordentlichen) Elternhaus jeder von uns stammte. Das klappte auch sehr gut, unsere Eltern gaben sich echt viel Mühe und "verkauften" sich gegenseitig sehr gut. Es gab auch Gemeinsamkeiten, wenn ich mich recht erinnere, war es der Kegelsport ... Das Kennenlernen verlief sehr sehr harmonisch und lustig, so dass letztendlich unserer "Sprach- und Studienreise" nichts mehr im Weg stand.

 

Nun ging es in den kommenden Wochen (ohne Internet ...) auf die Suche nach einer Jugendherberge in London. Zunächst besorgten wir uns einen Stadtplan.  Vom deutschen Herbergsverein ließen wir uns eine Liste der Jugendherbergen im Großraum London schicken.  Wolli und ich schrieben nun alle in Frage kommenden Herbergen im bestmöglichen Schulenglisch an - mit dem Wunsch, dort vier Wochen nächtigen zu dürfen. Die Antworten zogen sich hin (denn es lief ja alles über die tradionelle Briefpost) und ... die Antworten waren ernüchternd: Womit wir nicht gerechnet hatten, was the fact, dass im Großraum London auf Grund des generell hohen Andrangs ein maximaler Aufenthalt von nur 3 Nächten pro Herberge möglich war - London war also eigentlich nur was für die Durchreise und nichts für einen "Erholungsurlaub" eines Jugendlichen.

 

Was nun? Unser Vorhaben drohte zu scheitern.

 

Unter den in Frage kommenden Jugendherbergen war eine dabei, die nördlich etwa 20 km außerhalb von London mitten im Grünen lag:

 

Wellington Hill, High Beech, Loughton, Essex

im Epping Forest

 

Die war zwar weit draußen, aber mit U-Bahn-Anschluss im 2 km entfernten Loughton. Unsere Idee: Dort mitten im Wald muss es doch - verdammt noch mal - möglich sein, auf dem Herbergsgelände für vier Wochen unser Zelt aufzuschlagen ...

 

Gedacht, getan: Wir schrieben den Herbergsvater wieder an und nach ca. 2 Wochen kam die erlösende Antwort:

 

"Yes, it's possible! You're welcome!"

 

Mittlerweile war es wohl April geworden, und wir konnten uns eeeendlich freuen und uns auch klamottentechnisch für den Trip vorbereiten ...

 

Eine zeitgemäße olivgrüne US-Army-Vietnam-Protestjacke musste her, am besten gebraucht vom "Military-Bekleidungshaus Link" auf dem Alter Markt in der Kölner Altstadt. Eine unten am Bein selbst ausgefranste Jeans war angesagt und bereits vorhanden. Jesus-Latschen fehlten noch. Auch die Haare sollten noch etwas wachsen ... Ach ja, und ein Brustbeutel musste her, in dem das gesamte Urlaubsgeld in bar verstaut werden musste. Hätte ich doch fast meine "Fotokamera" vergessen ... Geld war knapp, so war nur eine 10 Mark-Rollbildkamera mit ein paar Blitzlichtbirnchen von Photo Porst drin, das musste reichen, was ich später bereute ...

 

Am 11. Juli 1969 begannen die Schulferien, und dann ging's auch schon eine Woche später abends los. Am Bahnsteig des Kölner Hauptbahnhofs stand zur Begrüßung - wie bestellt - ein Offizieller vom Jugendfahrtendienst, der unsere Fahrt (unsichtbar) begleitete, was unsere Eltern ungemein beruhigte ...

Der Nachtzug fuhr über Aachen, Brüssel nach Oostende. Dort wurden die Waggons auf die Fähre nach Dover verschoben. Ich erinnere mich, dass die nächtliche Überfahrt ziemlich rauh war. Einige Reisende verbrachten die meiste Zeit nur an der Reeling ... und wir hatten unsere (Schaden)Freude. Wir machten vor Aufregung während der gesamten Fahrt bis London kaum ein Auge zu. Leider lagen die berühmten "White Cliffs" noch im Dunkeln, als wir den Hafen von Dover erreichten.

Am Morgen erreichten wir dann unsere finale Destination, die altehrwürdige Victoria-Station im Herzen von London. Unmittelbar beim Verlassen des Bahnhofs wurde ich dann auch sofort von qietschenden Reifen daran erinnert, dass in England alles anders ist ... ;)

Nach dem ersten Beinaheunfall ging's nun runter in den Londoner Underground, in die älteste U-Bahn der Welt. Unser Ziel: Loughton, ganz weit draußen  im Nordosten von London.

In Loughton ging's dann noch etwa beschwerliche 2 km zu Fuß mit Gepäck und Zelt durch den Epping Forest rauf auf den Wellington Hill zum Youth Hostel.

Oben angekommen wurden wir von einem sehr netten Herbergsvater sehr herzlich begrüßt. Das war Balsam für die Seele, und das musste auch sein ... denn die Herberge war doch mehr als rustikal und spartanisch ausgestattet ... eigentlich hatte sie gar keine Austattung. Die Herberge war ein alter langer Schlaf-Schlauch, lediglich nach Geschlechtern durch eine Wand getrennt.

Wir schliefen alle in Reih und Glied auf Feldbetten. Es gab zudem noch einen größeren Küchenraum, wo sich jeder seine morgendlichen Spiegeleier mit Baked Beans selbst zurecht zaubern konnte. Einen Duschraum gab's wohl auch noch, aber an den kann ich mich nicht erinnern. Das war's ... aber egal, Hauptsache, wir waren unter uns, hatten unser Zelt dabei ... und waren in London!



Am nächsten Morgen ging's dann direkt los nach London-City. Das hieß, zunächst einmal wieder 2 km zu Fuß in Jesus-Latschen runter durch den Wald zur Underground-Station nach Loughton ... (und die gleiche Prozedur abends wieder zurück).

Bereits am ersten Tag waren wir der Meinung, dass dieser Fußweg auf Dauer für Städter ungesund sein muss. Zudem riss die Fahrt mit der U-Bahn ein zusätzliches Loch in unsere Ferienkasse. Eine Ausfallstraße in ziemlicher Nähe zur Herberge brachte uns bereits am zweiten Tag auf die Idee, morgens nach London rein zu trampen ... und abends mit der U-Bahn wieder zurück. Also stellten wir uns mit erhobenem Daumen an die Straße, und das klappte sehr gut.

Eines Tages hatten wir einen besonderen Lift.

Es hielt eine noble weinrote Jaguar MK II Limousine an (s. Archivbild rechts). Ein sehr gut gekleideter Engländer bot uns die Mitfahrt in die City an. Wow ... was für ein gediegenes Ambiente im Auto, Sitze in feinstem Leder, das Armaturenbrett aus Walnußholz. Und wir ganz unpassend hinten drin in US-Army-Jacke, Jeans und Jesus-Latschen ... Wir kamen sehr schnell mit dem Fahrer ins Gespräch, er sprach astreines Oxford-English. Als er meinen Namen hörte, fragte er nochmals nach und konnte anschließend ein lautes Lachen nicht verkneifen: Hors(e) ... das T musste ich wohl verschluckt haben ...

Da er etwas Zeit hatte, bot er uns eine Fahrt durch Londons Stadtviertel an, die ein Tourist normalerweise nicht zu sehen bekommt ... das Arbeiterviertel "East End" und das berühmt berüchtigte Chinatown, welches mittlerweile im Stadtteil Soho beheimatet ist.


 

Der Piccadilly Circus mitten im Herzen Londons war nicht nur für uns die zentrale Anlaufstelle, um den Rest des Tages zu planen. Hier traf "man" sich, hier tauschte man sich aus, hier gabs die aktuellsten Tipps und News aus der Pop-Szene.


 

 

Wir und die Rolling Stones in London 1969

 

Direkt an den Piccadilly Circus grenzt Soho, das berühmt-berüchtigte Vergnügungsviertel von London. Hier sollten "die Stones" ihr Office haben. Also dackelten wir los, an die Adresse kann ich mich nicht mehr erinnern, aber an die Location: Eine ziemlich heruntergekommene Straße mit alten Gebäuden, das passte, hier mussten die Stones zu Hause sein ... Was nicht passte, es gab sogar ein richtiges Klingelschild. Wir gingen langsam eine alte Holztreppe rauf, erster oder zweiter Stock, ich weiß es nicht mehr so genau, unsere Herzen pochten vor Aufregung, dann standen wir im Treppenhaus vor einer großen verschlossenen Tür, die zum Büro der Stones führte. Wir klingelten, und nach ein paar Sekunden öffnete uns eine hübsche junge Dame die Tür. Sie lächelte uns freundlich an, im Hintergrund im Empfang saß an einem großen alten Schreibtisch ein weiteres Mädel, beide so Mitte/Ende zwanzig.

"What can we do for you" oder so ähnlich fragte sie uns. Tja, eine gute Frage ... Was wollten wir eigentlich? Im Idealfall hätten wir natürlich gerne Mick Jagger & Co getroffen. Aber die waren wohl sicherlich ganz woanders und pennten noch um diese Uhrzeit.

Uns fiel nix besseres ein und fragten ganz verschämt: "Is this the office of the Rolling Stones? Can we have an autograph, please ...?" "Sure", antwortete die Lady freundlich lächelnd hinterm Schreibtisch, öffnete eine Schublade und holte für jeden von uns zwei Autogrammkarten heraus ...

Wow, so einfach war das ... und wir hatten so schnell noch gar nicht registriert, wie außergewöhnlich und wertvoll diese Karten waren. Die Tinte musste noch ziemlich frisch gewesen sein: Das Gruppenfoto zeigt die Band noch mit Brian Jones, der erst vor ein paar Tagen am 3. Juli 1969 auf tragische Weise verstorben war. Seine Unterschrift fehlt auf unserer Karte ...

Stattdessen bekamen wir zusätzlich noch ein Foto von Mick Taylor - ohne Autogramm - der Brian Jones ersetzen sollte, und der auch bereits am 5. Juli 1969 zwei Tage nach Brians Tod beim Free Hyde Park Concert in London auf der Bühne stand. Einen Monat vor Brians Tod hatten sich die Stones am 8. Juni 1969 von ihm wegen seines desolaten Zustands getrennt.

 

Hier das legendäre Free Concert der Stones am 5. Juli 1969 im Hyde Park. Leider waren Wolli und ich nicht dabei, da wir wegen der Schulferien erst ein paar Tage später anreisen konnten.

 

Weiter mit unserer Story im Stones Office in Soho:

Wir konnten es kaum fassen, nun stolzer Besitzer von Originalautogrammen der Stones zu sein. Uns war es egal, dass sie lediglich schubladenfertig "vorproduziert" waren, mehr konnte man nicht erwarten ... meinten wir.

Wir bedankten uns bei den Damen und verließen das Office wieder in Richtung Treppenhaus. Während wir dort nochmals stolz auf halber Treppe unsere Autogramme anschauten, hörten wir (noch unbewusst), dass jemand von unten die Treppe rauf kam ... als dieser Mensch in Sichtweite kam und sich auf dem Treppenabsatz zu uns umdrehte, fiel uns die Klappe runter ... es war Charlie Watts, der Trommler der Stones himself auf dem Weg zu seinem Office ... Unser Herz pochte, und wir pressten uns ungläubig und respektvoll an die Wand des Treppenhauses, um ihn passieren zu lassen. Es war unfassbar: Ein weltberühmter Rolling Stone ganz alleine und ganz privat in unserer Nähe in nur einem halben Meter Abstand ... Er sah unsere Autogrammkarten, lächelte uns an, grüßte mit einem freundlichen "Hello" und verschwand in Richtung Office ...

Das musste jetzt erstmal der "Community" auf dem Piccadilly Circus erzählt werden! Wir waren so stolz!



 

 

 

 

Wir und die Beatles

London, Abbey Road, 1969

Es begab sich wieder auf dem Piccadilly Circus, dass wir einen wertvollen Tipp bekamen.

 

"Ihr könnt die Beatles sehen. Die nehmen gerade ein neues Album in den Abbey Road Studios auf. Die erscheinen dort immer im Laufe des späten Vormittags, um die Stücke aufzunehmen."

 

Wir konnten das zunächst gar nicht glauben und dachten, die nehmen uns auf den Arm. Denn die Beatles, die waren mittlerweile "Götter" für uns, die kann man nicht so einfach sehen, dachten wir. Nevertheless, wir machten uns am nächsten Morgen mit der U-Bahn auf den Weg dorthin.

Als wir an den EMI Studios ankamen, stand dort etwa nur ein Dutzend Leute. Viel zu wenig für die Beatles, dachte ich. Dennoch hielten wir aus und warteten dort. Denn die Gerüchte verdichteten sich, dass die "Fab Four" bereits vor einigen Tagen mehrmals dort bei ihrer Anfahrt gesichtet wurden.  Also machte ich meine 10-Mark-Photo-Porst-Rollbildkamera mit etwa noch 8 verbliebenen Aufnahmemöglichkeiten "schussbereit".

 

Meine Mühe sollte belohnt werden ...

 

Denn nach einiger Zeit, als ein Mini-Cooper auf dem kleinen Parkplatz vor den Studios vorfuhr, wurde es plötzlich unruhig unter den Leuten. Ich blieb gelassen, denn einen Beatle in einem kleinen Mini konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Meine Vorstellungskraft wurde jedoch abrupt kräftig durchgerüttelt und geschüttelt, als Paul McCartney aus dem Auto ausstieg. Unglaublich, unfassbar ... ein Beatle stand zum Anfassen nah vor mir ... kein Bodyguard, kein Personenschutz zu sehen ... die wenigen Leute dort umlagerten Paul, um ein Autogramm zu bekommen ... er blieb sehr freundlich und gab Autogramme, während ich hektisch an meinem Fotoapparat rumfummelte, um ein, zwei Bilder zu machen ... mehr durften es leider nicht sein, da ich ja nur noch 8 Aufnahmen machen konnte.

Das Unglaubliche stimmte also doch, die Beatles sind heute im Studio!

Nachdem Paul durch den Haupteingang ins Studio verschwand, warteten wir wieder draußen auf dem Bürgersteig gespannt for the nexte Beatle to come ...


 

 

 

Und das war George (Harrison).

Er fuhr mit einem Bentley vor, auch ohne Chauffeur und Personenschutz. Auch er gab Autogramme, wobei er etwas reservierter war als Paul.

 

 

 

Als nächsten "gab's" den Trommler Ringo (Starr). Er fuhr einen Rolls Royce. Ich weiß gar nicht mehr, ob er Autogramme gab, freundlich drein schaut er auf dem Foto jedenfalls nicht.

Egal, ich mochte ihn sowieso nicht ...

 

Letztendlich wurden John Lennon und seine Yoko Ono in einem langen weißen Mercedes 600 vorgefahren. Die beiden waren sehr scheu, schienen genervt zu sein, gaben keine Autogramme und rauschten direkt an uns vorbei ins Gebäude.

Yoko Ono wird maßgebliche Mitschuld an der Trennung der Beatles im Folgejahr 1970 gegeben. Und wie man heute weiß, knisterte es bereits schon zu dieser Zeit bei den Beatles.

 

Und hier zusammengefasst der im Hof abgestellte Beatles-Fuhrpark:

 

rechts hinten der schnuckelige Mini von Paul McCartney,

links der Bentley von George Harrison,

rechts im Vordergrund der Rolls Royce von Sir George Martin, dem Produzenten und dem sog. "Fünften Beatle"

 

Obwohl ich eigentlich ein Stones-Fan war (und geblieben bin), so hat mich diese Begegnung mit den Beatles in der Abbey Road doch nachhaltig sehr beeindruckt. Konzerte habe ich vorher nie gesehen, hierzu fehlte mir das Geld. Doch ich habe die Beatles hautnah live erlebt und dazu noch in mehr oder weniger privater Atmosphäre, das bleibt für immer in meiner Birne hängen.


 

9th National Jazz & Blues Festival
Plumpton Racecourse, East Sussex, UK
August 8-10th, 1969

Während unserer "Ferien" erfuhren wir, dass vom 9. bis 11. August in der Nähe von Brighton an Englands Südküste ein Open-Air-Festival stattfinden sollte. Bis zu 60.000 Besucher wurden erwartet, etwa 70.000 kamen. Alles verlief friedlich - trotz einiger technischer Pannen.

 

 

 

Britische Top-Bands, Stars und Monsterstücke der damaligen Zeit (und sie sind es teilweise heute noch) waren angesagt: u. a. Chicken Shack, Steamhammer, London Cast of 'Hair', The Who, The Nice, Pink Floyd. Eintritt für die drei Tage: 2 Pfund 10, was damals ungefähr 20 DM waren.

Also wieder: Nix wie hin, obwohl die Urlaubskasse bereits ziemlich down war ...

(PS: Ein Wochenende später fand übrigens das legendäre Woodstock-Festival statt, wo auch The Who wieder auftraten.)

Um Geld zu sparen, trampten wir runter. Unser Zelt ließen wir auf dem Gelände der Jugendherberge zurück, wir wollten open-air unter freiem Himmel übernachten. Und wir hatten Glück: Das Wetter spielte mit, es war hot and dry!


Das Festival hatte eine Hauptbühne sowie ein Zelt, wo primär Jazz gespielt wurde, und wo auch bis dato unbekanntere Gruppen ihre Chance bekamen.


Jeder Tag hatte ein Highlight.

 

Am Tag 1 bzw. in der Nacht 1 gab es Pink Floyd als Betthupferl ...

Zuvor gab es Stromprobleme (der Drummer von Soft Machine rastete deswegen aus) und einen einstündigen Stromausfall, bevor Pink Floyd in der Nacht mit Verspätung auf die Bühne kam.

 

Hier ein Eindruck aus dem Jahr 1972 (von Plumpton gibt es keine Filmaufnahmen). Das Stück wurde auch in Plumpton gespielt.


Highlight Tag 2:  The Who

 

Besser kann man's kaum (be)schreiben (Pressebericht):

"The Who topped the bill on Saturday  and quickly established the fact that they are still one of the world's loudest groups. It's quite possible, that the people in the villages around Plumpton Racecourse could have sat in their living rooms and listened to the group. But the loudness did not disguise the quality of the playing which has increased tremendously. The best part of the act consisted of a good deal of Tommy and this was the first time most people had had a chance to hear it 'live'.

All the guitar smashing and mike throwing was included and The Who looked pleased with the way things were going - both musically and visually. The visual bit got even better when a girl in a revealing dress came on stage during Summertime Blues and began cavorting about.

The whole thing tore the audience up. An unqualified hit."

 

Setlist u. a.: I Can't Explain, Fortune Teller, Pinball Wizard, Substitute, Summertime Blues

Eine Woche später traten sie in Woodstock auf ...


 

Highlight und Abschluss Tag 3:  The Nice

Hintergrund:

The Nice war eine englische Progressive-Rock-Band. Die Gruppe wurde im August 1967 gegründet. Keith Emerson (Keyboards, Orgel), David O'List (Gitarre, Gesang, er stieg kurze Zeit später schon wieder aus), Brian Davison (Schlagzeug) und Lee Jackson (Bass, Gesang) vereinten in ihrem Musikstil Jazz und Rock mit der klassischen Musik. Zu ihren Interpretationen gehören beispielsweise Werke von Leonard Bernstein (America aus Westside Story), Johann Sebastian Bach (Brandenburgische Konzerte) und Jean Sibelius (Intermezzo from the Karelia suite).

Bei einem Konzert in der Royal Albert Hall in London ging bei America eine US-Flagge in Flammen auf. Dies führte zu einem lebenslangen Auftrittsverbot für die Royal Albert Hall.

Keith Emerson gründete 1970 mit Greg Lake und Carl Palmer die Gruppe Emerson, Lake and Palmer.

 

Und das schrieb die Presse zum Konzert:

"The Ninth National Jazz , Pop and Blues festival ended in spectacular fashion at Plumpton racecourse last night. The British pop group The Nice wound up the three day open-air extravaganza accompanied on stage by a 40 piece symphony orchestra. Joseph Egar, famous conductor of the New York Symphony Orchestra, flew in from the states to conduct."

 

 

Mein Fazit:

The Nice lieferte ein grandioses unvergessenes Festival-Closing ab. Ein 40 köpfiges Symphonieorchester in einem perfekten Zusammenspiel mit einer Rock-Band war bisher einzigartig. Keith Emerson traktierte zwei Orgeln gleichzeitig, bis schließlich eine  umfiel und sich in Rauch auflöste. Ende des Konzerts!

Eine Setlist dieses Spektakels gibt es im Internet (noch) nicht. Ich kann mich nur daran erinnern, dass "Rondo" und America" gespielt wurden.


 

Das Festival in Plumpton war ein krönender Abschluss unserer "Sprach- und Studienreise". Sicherlich gibt's noch einige andere Erlebnisse zu berichten, aber die Aufzählung der üblichen Sightseeing-Ziele Londons erspare ich mir und Euch.

Falls mir oder Wolli noch was "Wertvolles" einfallen sollte, wird das selbstverständlich nachgeliefert.

 

Unsere Eltern waren jedenfalls in höchstem Maß erleichtert, als sie uns am Kölner Hauptbahnhof nach vier Wochen - rein oberflächlich begutachtet - wieder ohne Schaden vom Jugendfahrtendienst in Empfang nehmen konnten ... ;)

 

Und was ist aus uns geworden?

Wolli wurde Elektro-Gitarrist, und ich ... ich begeistere mich nunmehr als Rentner mit dem Auflegen alter Schallplatten, und ich erzähle sehr sehr gerne aus der "bewegenden" guten alten Zeit ...


Mai 2017
Mai 2017

 

Von September 2016 bis Januar 2018 moderierte ich bei R.N.I. Radio Nordsee International, dem legendären Offshore "Piratensender" ab 1970

 

Seit Mai 2019 stehe ich wieder auf eigenen Beinen ... ;)